Leo Bettina Roost

Leo Bettina Roost wurde in Schaffhausen geboren. Nach dem Vorkurs an der Kunstgewerbeschule arbeitete sie im Atelier von H. R. Giger, und danach in den Hallen für neue Kunst in Schaffhausen, wo sie Künstlern wie Sol LeWitt, Joseph Beuys, Jannis Kounellis und Mario Merz assistierte. Sie absolvierte die Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschülerin von Fritz Schlegler. Fünfundzwanzig Jahre blieb sie als freie Künstlerin in Deutschland, vor allem in Köln, mit einem Jahr zwischendurch in New York. Sie arbeitete auch als Modellbauerin für Architektur und Industrie und machte Kunstprojekte an Schulen und im öffentlichen Raum. Heute lebt sie wieder in Schaffhausen und gibt Werkunterricht an der heilpädagogischen Schule. Ihre Arbeiten sind in Einzel- und Kollektivausstellungen zu sehen, und sie führt Aufträge im Bereich Kunst am Bau durch. 2005 gewann sie den ersten Preis für die künstlerische Gestaltung der neuen Diplommittelschule Schaffhausen und 2014 erhielt sie das Berliner Atelierstipendium des Kantons Schaffhausen.

Fotos der Ausstellung (© Bruno & Eric Bührer)

Aufenthalt

01.10. - 31.12.2014

Leo Bettina Roost, o.T. , Acryl auf Papier, 15 x 21 cm, 2014

Einführung zur Ausstellung

Übergänge, Schnittstellen und Stadien bilden den roten Faden in Leo Bettina Roosts Werk, wie Stéphanie Stamm 2012 anlässlich der Schaffhauser Ausstellung «Gratis Zucker» schrieb. Einen solchen Übergang stellte auch der Aufenthalt in Bedigliora im Leben der Künstlerin dar. Noch nicht lange wieder in der Schweiz, hatte sie nach einem Hausbau ihr neues Atelier noch gar nicht bezogen, als sie vorübergehend in die Casa Atelier zog. Hier arbeitete sie so konzentriert, dass sie nur selten aus dem Haus ging um die Umgebung zu erkunden. Es ist allerdings zu sagen, dass das Wetter meist nicht danach war. Sie erlebte die unglaublichen Regenfälle dieses Herbstes, die Zerstörung und Leid mit sich brachten. Die Schönheit der Natur, auf die sie sich als Städterin so gefreut hatte, der Blick auf die Berge, der ihr in Deutschland gefehlt hatte, kontrastierte für sie mit der Härte des Landlebens, den Unwettern und Naturkatastrophen, dem schwierigen Umgang zwischen Mensch und Tier.

Gleich zu Anfang sah sie einen Schmetterling, der symbolisch wurde für die ihr wichtigen Themen: die Fragilität der Gegenwart, die Stationen des Umbruchs, das Neue, das durch Verwandlung des Gegebenen entsteht. Der Kopf mit den Fühlern fand als Form Eingang in ihre Bilder. Es entstanden kleinformatige Blätter, wie dasjenige der Einladungskarte: vor blauer Berglandschaft mit den geschwungenen Linien der Hügel breiten sich Fühler oder Antennen aus – gehören sie einem vom Menschen geschaffenen Objekt, Windmühle oder Helikopter, oder einem Tier? Auf grossen Blättern vervielfältigen sich die beiden gespreizten Fühler. Dabei verflechten sich Hintergrund und Vordergrund, Landschaft und Figur, auf mysteriöse Weise: es entsteht eine Zwischenwelt.  Die Bilder haben etwas von einer Urlandschaft, die man sich entweder vor der Zivilisation, oder nach ihrem Zusammenbruch vorstellt.

Leo Bettina Roost interessiert das Unbestimmte, sie liebt die Zwischenräume, die flackernden Zustände zwischen zwei Stadien. In ihren Bildern sucht sie nicht die Schönheit, die Abgeschlossenheit einer Komposition, sondern die Spannung zwischen Ordnung und Störung. Ihre Bilder erinnern manchmal an Filmstills: etwas ist vorher passiert, etwas wird nachher passieren, doch was? So entstehen Serien, die zum gleichen Film gehören könnten: eine idyllische Landschaft, in der etwas Rotes Aufmerksamkeit erregt und irritiert. Es kann ein parkiertes Auto sein, ein roter Punkt im Himmel, ein Vorhang, der sich über das Bild schiebt oder sich aufzieht. Die Künstlerin hält eine Bewegung fest, die sich entwickeln wird, doch in welche Richtung? Wächst da etwas, Baum, Tier, das die Landschaft bedroht? Bewegt sich das Monster im Bild auf uns zu und schaut uns an, oder kehrt es uns den Rücken zu und bewegt sich von uns weg?

Oft stand die Künstlerin am Balkonfenster und schaute auf die Hügel und Berge hinaus. Die Gebirgswelt, die sie auf ihren Reisen von und nach Bedigliora sah, beeindruckte sie. Die Landschaft findet Eingang in ihre Bilder, wird aber auch infrage gestellt. Da ist die Sicht auf schöne Bergketten nur durch ein hartes, eckiges X möglich, wie auf etwas, das durchgestrichen wurde. Sehen wir durch dieses X auf die Landschaft hinaus, oder sieht sie zu uns hinein? Der Blick changiert, die Bewegung lässt sich nicht festlegen, die Spannung bleibt, im wahren Sinn des «Suspense» – der schwebenden, faszinierenden Unsicherheit.

Ruth Gantert