Haviva Jacobson

Haviva Jacobson wurde 1961 in Maayan Baruch (Israel) geboren. Sie wuchs im Kibbuz auf und studierte an der Kunstschule Bezalel in Jerusalem, dann in Tel Aviv. 1991 verbrachte sie einen Studienaufenthalt an der Kunstschule Lorenzo di Medici in Florenz. In Florenz lernte sie ihren Schweizer Mann kennen, mit dem sie seit 1992 im Appenzell lebt und zwei nun erwachsene Kinder hat. Ihre Arbeiten sind in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. 2001 erhielt sie den Förderpreis der Innerrhoder Kunststiftung.  

Fotos der Ausstellung

Aufenthalt

05.10. - 18.12.2018

In giro

Samstag, 15. Dezember, 15 – 18 Uhr.

 

Haviva Jacobson, «In giro»

Haviva Jacobson wurde in Maayan Baruch in Israel geboren. Sie wuchs im Kibbuz auf und studierte an der Kunstschule Bezalel in Jerusalem, dann in Tel Aviv. 1991 verbrachte sie einen Studienaufenthalt an der Kunstschule Lorenzo di Medici in Florenz. In Florenz lernte sie ihren Schweizer Mann kennen, mit dem sie seit 1992 im Appenzell lebt und zwei nun erwachsene Kinder hat. Ihre Arbeiten sind in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. 2001 erhielt sie den Förderpreis der Innerrhoder Kunststiftung.  

Nach Bedigliora bringt sie einen Block mit quadratischen Blättern mit, die sie schon vor langer Zeit mit Lack bestrichen hat. Sie findet es schwierig, auf einem ganz leeren Blatt zu beginnen; der Lack gibt dem Blatt schon eine Struktur, es ist schon etwas da. Für die Künstlerin, deren Werk normalerweise farbig ist, ist es eine spezielle Erfahrung, sich für einmal ganz auf den Bleistift zu konzentrieren. Aus einer sonst für sie nebensächlichen, zusätzlichen Ausdrucksform wird plötzlich die Hauptsache. Sie konzentriert sich ganz auf die Bewegung beim Zeichnen. 

Die kleinformatigen Zeichnungen sind von Motiven inspiriert, die sie in Bedigliora findet: Innen- oder Aussenformen der Kastanien, Bäume, Berge, die Struktur des Holzbodens im Atelier. Es kann aber auch etwas Abstraktes sein, Formen, die sich aus dem Verlauf des Zeichnens bilden, wie das Bild der Einladungskarte. Die Künstlerin arbeitet direkt an der Wand, auf Augenhöhe. Die fertigen Blätter hängt sie weiter oben oder unten auf. Es kommt auch vor, dass sie ein Blatt um neunzig Grad dreht und der Zeichnung damit einen anderen Rhythmus gibt. So entsteht ein poetisch-künstlerisches Verschiebespiel.

Eigentlich war ihre erste Idee, sich für einmal auf Kleinformatiges und den Zeichenstift zu beschränken. Als sie aber das grosse Atelier mit dem riesigen Tisch sieht, entschliesst sie sich doch noch zu grossformatigen Bildern. Sie möchte mit schwarzem Marker auf transparente Folie malen, kauft aber aus Versehen auch einen weissen Marker. Da sie ihn nun einmal hat, benutzt sie ihn versuchsweise, und da gefällt ihr das Weiss auf der Folie sogar noch besser: Es ist unerwarteter, interessanter als der schwarze Strich. 

Das Weiss splittert sich auf in verschiedene Farben: Je nach Lichteinfall und Richtung des Strichs wirkt es bläulich, grünlich, gelblich. Auch hier interessiert die Künstlerin die Zeichenbewegung, die eine eigene Sprache bildet. Sie variiert die Dicke der Striche, ihre Richtung, die dichten und die ausgesparten Stellen. Beim Zeichnen kann man nicht korrigieren, man kann keinen Strich auslöschen, sondern muss auf das, was dasteht, reagieren. So entsteht aus einem Fehler etwas Neues, eine so nicht geplante Form kann dem Bild eine ungeahnte Wendung geben. 

Die dichten Wirbel lassen an Wasserstrudel oder an Dickicht denken, die lichteren Bilder mit den ausgesparten Formen an Landkarten, vielleicht Atlasse für äussere und innere Reisen – «in giro» nennt die Künstlerin ihre Ausstellung, und unterwegs ist sie täglich, mit Körper und Geist ebenso wie mit dem Zeichenstift. Tagebuchartig malt sie Formen auf eine grosse Papierrolle, die sich nun wie eine riesige Sprechblase entrollen lässt und von Haviva Jacobsons Aufenthalt in Bedigliora erzählt, von den hellen und den dunkeln Tagen, den verspielten und den nachdenklichen: schwungvoll, konzentriert, ideenreich und bewegt.

 

Ruth Gantert, Bedigliora, 15.12. 2018